Aktivität contra Langeweile?

von Erich Reichle, Fällanden

Ein paar Gedanken zu einem tagtäglichen Phänomen

Der Mensch betätigt sich im Tages-Ablauf ganz unterschiedlich; mal aktiv, mal passiv, mal körperlich, geistig oder seelisch. Er braucht Aufgaben sowie körperliche, geistige und seelische Nahrung. Wenn er zu wenig oder nichts tut, wird er apathisch, krank oder depressiv, vor allem aber leidet er unter Langeweile.

„Die Langeweile ist die Neurose der Zukunft“ prognostizierte der Psychoanalytiker Viktor Frankl, der Schöpfer der „Logotherapie“, schon vor über 40 Jahren für unsere Gesellschaft.

Die Langeweile ist ein Problem, über das leider nur selten geredet wird und den meisten Menschen gar nicht richtig bewusst ist. Deshalb realisieren die wenigsten, dass sie ausserhalb des Berufslebens oder der Arbeit im Haushalt den grössten Teil ihrer Zeit damit verbringen, die Langeweile zu vertreiben. Das ist an sich weder gut noch schlecht, sondern so etwas wie menschliches Schicksal. Ganz besonders betrifft es natürlich jene, die aus dem Berufsleben ausgeschieden sind, also die Arbeitslosen und die Senioren.

Es ist eine ganz banale Tatsache, dass wir leiden, wenn es uns langweilig ist. Je mehr wir zu tun haben, desto besser geht es uns. Also tun wir alles, um unseren Terminkalender zu füllen. Je stressiger unser Alltag, desto besser: Arbeit, Sport, Spiel, Reisen, Unterhaltung, Musik, Klatsch, Hobby, Verein, Schrebergarten, Computer, Internet, Essen Trinken, Lesen, Schreiben und natürlich das Fernsehen mit möglichst vielen Kanälen.

Interessant dabei ist, dass es uns eigentlich umso besser geht, je mehr Probleme wir haben, also ganz im Gegensatz zur herrschenden Meinung. Das führt sogar so weit, dass wir Probleme bewusst oder unbewusst inszenieren oder initiieren: Mobbing, Streit, Neid, Eifersucht, Hass bis zu Krankheit und Unfall. Der Grund ist, dass wir dann weniger leiden, als wenn uns die Langeweile quält.

Deshalb auch die vielen möglichen und unmöglichen bis sinnlosen oder gar zerstörerischen Betätigungen und Hobbys, vom Kaffeerahmdeckeli sammeln (schon der Name lässt einen erschaudern) bis zum Extremsport, vom pausenlosen Fernsehen bis zum ständigen in der Welt Herumfliegen. Darum haben viele auch nie Zeit, obwohl sie alle Zeit der Welt hätten. Für viele ist heute ein Leben ohne Fernsehen völlig undenkbar und reagieren beinahe schockiert, wenn ich ihnen sage, dass ich keinen Fernseher habe. Sie fragen mich dann, was ich denn ohne Fernseher mache!

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