Historisches aus den Archivordnern (2)

von Erich Reichle, Fällanden

Der Brief und die Antwort des Bundesrates sind wörtlich abgeschrieben. Die Originale sind in meinem Archivordner.

Fällanden, den 06.03.1985

Herrn Bundesrat
A. Egli
3000 Bern

Einige „umwerfende“ Gedanken zu uns und der Umwelt

Wir müssen nicht zurück, sondern vorwärts zur Natur, denn wir waren ja noch gar nicht dort! Unsere Urahnen, welche man so gerne als „im Einklang mit der Natur“ beschreibt, brauchten ihr Gehirn doch ausschliesslich zum Überleben. Abgesehen von einigen wenigen Menschen herrschte das Triebhafte, Animalische vor, und nicht eine innere, tiefere Verbundenheit mit der Umwelt. Deshalb glaube ich, dass wir eine gemeinsame Lösung unserer Umweltprobleme auf dieser Basis angehen müssen. 

Der Mensch hat, wenn er nicht schon früh geistig verkümmert wird, einen starken Trieb in sich, immer neues, besseres, „fortschrittlicheres“zu erfinden. Man spürt oft, und Sie als „Umweltminister“ noch mehr als andere, eine quälende Ohnmacht. Man hat das Gefühl, der Mensch schreite, unwiderstehlich, selbstzerstörerisch, wie von einem inneren Zwang getrieben, direkt auf seinen eigenen Untergang zu.

Dies müsste nicht sein! Warum? – Jeder Mensch hängt an dem, was er erarbeitet hat, sei es geistig oder materiell. Ob er selbst viel oder wenig dazu beigetragen hat, oder dasselbe einfach von irgendwo übernommen hat, scheint sekundär zu sein, resp. ihm gar nicht bewusst. Will man nun, sei es auch ohne böse Absicht, dieses geistige oder materielle Kapital anzweifeln, daran rütteln oder es ihm sogar absprechen wollen, reagiert er sehr negativ darauf. Man stellt dann bei sonst ruhigen, vernünftigen Menschen eine ungewöhnlich harte, ja fast unnatürliche Abwehrreaktion fest. Man hat ihn als Gegner, und an eine Zusammenarbeit ist nicht mehr zu denken. Dies bekommen die „Linken“ dauernd zu spüren.

Also müssen wir, wie ganz am Anfang angetönt, die Sache anders anpacken, quasi umdrehen. Wenn wir von einem einfacheren Leben in der Zukunft sprechen, reden wir von „Fortschritt“, damit der Mensch seinem Trieb nachleben kann. Wir müssen nur seine Triebe, Gefühle, sein Wollen, schon in der Schule, auf andere Bahnen lenken. Und zwar:

Dass wir uns als Einheit zusammen mit der Natur erleben.

Dass wir unsere Bäume, Vögel, Sträucher und Blumen kennenlernen und so eine gemeinsame Beziehung schaffen.

Dass wir die Kenntnisse der Philosophie und der Psychologie sinnvoll in die Lehrmittel einbauen, und auch den Erwachsenen vermitteln, um eine Zukunft mit weniger Streit, Scheidungen, Kriminalität und Egoismus zu ermöglichen.

Nur so lernen wir vernünftig zu leben und beginnen zu spüren,

Dass Glück innere Zufriedenheit ist, und nicht das „immer mehr Wollende“.

Dass die innere Zufriedenheit nur durch Ausgeglichenheit von Körper und Seele kommen kann und nicht von Besitz und Egoismus.

Dass echte Ausgeglichenheit nur im Einklang mit der Natur entstehen und bestehen kann, von der wir uns, als ein Glied von deren Einheit, nicht abspalten dürfen.

Dass der wahre Fortschritt geistiger Luxus ist. Er beinhaltet das bessere einander verstehen, mehr wissen statt mehr haben, weniger Egoismus, mehr handwerkliches Können, geben statt nehmen.

Dann gilt endlich auch der grosse Satz des grossen Philosophen Immanuel Kant:

«Handle so, dass die Maxime deines Wollens jederzeit
als Gesetzgebung für die Allgemeinheit dienen könnte.»

Also der neue Slogan: Vorwärts, (nicht zurück) zur Natur!

Mit freundlichen Grüssen und vielem Glück für „tapfere“ Taten. Sie stehen nicht alleine!

Erich Reichle

PS: Die Menschen sind sehr träge und vergesslich. Moralbegriffe muss man ihnen ständig wiederholen, bis sie einmal Fuss gefasst haben. Es wäre eine schöne Aufgabe des Bundesrates, z. B. alle 14 Tage am Fernsehen 5 Min. in obigem Sinne zu sprechen. Ein Wort zum geistigen Fortschritt wäre tatsächlich ein echter Fortschritt.

Dann folgte am 8. März die banale Antwort:

Bundesrat Alphons Egli
Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern

dankt Ihnen für Ihre Zuschrift und Ihre philosophischen Gedanken zum Umweltschutz. Unser oberstes Gebot wird es sein, den Einklang mit der Natur wieder zu finden. Er verbindet damit seine freundlichsten Grüsse.

3003 Bern, 08. März 1985

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