Professor Rudolf Wolf – Pionier der Sonnenforschung und Begründer der Eidgenössischen Sternwarte
von Dieter Baldinger, Fällanden
Rudolf Wolf wurde am 7. Juli 1816 in Fällanden geboren. Sowohl sein Vater als auch sein Grossvater waren Pfarrer in Fällanden und so wuchs er im Fällander Pfarrhaus mit seinen drei Geschwistern auf. Seine ersten Schuljahre verbrachte er unter der Anleitung seiner Stiefgrossmutter, bevor sein Vater die Unterrichtung selbst übernahm. Rudolf Wolf soll ein lebhafter Junge gewesen sein, der bereits früh Interesse an Wissenschaften entwickelte.
Als Rudolf elf Jahre alt und sein Vater unerwartet gestorben war, zog die Witwe mit den Kindern in die Stadt Zürich zurück «zu Beck Vogel im Niederdorf». Rudolf Wolf blieb seinem Geburtsort Fällanden jedoch lebenslang verbunden. Obwohl er später in Zürich zur Schule ging, verbrachte er seine Ferien häufig in Fällanden sowie in den nahegelegenen Orten Dübendorf und Greifensee.
Rudolf Wolf war von 1831 an – noch nicht ganz fünfzehnjährig – Schüler des «Technischen Instituts» in Zürich. Während seiner Studienzeit kam Rudolf Wolf mit dem Geodäten und Astronomen Johannes Eschmann in Kontakt, der massgeblich an der Landesvermessung beteiligt war. Diese Begegnung weckte Wolfs Interesse an Geodäsie und Kartografie, das ihn sein Leben lang begleiten sollte. Wolf verfasste eine umfassende Chronik der Schweizerischen Landesvermessung. Seine Darstellung war nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern auch historisch bedeutend – sie dokumentierte detailliert die technischen, politischen und organisatorischen Herausforderungen des Projekts. Federführend in diesem Projekt war General Dufour, dessen Namen das resultierende Kartenwerk später tragen wird.

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Wolfs weiterer wissenschaftlicher Werdegang führte ihn an die Spitze des akademischen Lebens in der Schweiz. 1839 wurde Wolf Mathematik- und Physiklehrer an der Realschule in Bern, später Vorstand der Sternwarte in Bern und ausserordentlicher Professor an der Universität in Bern. 1855 kam er zurück nach Zürich, wurde Lehrer am oberen Gymnasium in Zürich und gleichzeitig zum ersten Professor für Astronomie an der neu gegründeten „Polytechnischen Schule“ in Zürich berufen – der heutigen ETH Zürich. Unter seiner Leitung wurde die Eidgenössische Sternwarte Zürich gegründet, wo er bis zu seinem Tod 1893 wirkte. Mit dem Aufbau der Sternwarte schuf Wolf ein Zentrum für astronomische Forschung, das weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde.
International bekannt wurde Rudolf Wolf durch seine systematischen Sonnenfleckenbeobachtungen. Er entwickelte die sogenannte „Wolf’sche Relativzahl“ (teilweise auch Zurich Sunspot Number genannt), mit der Sonnenfleckenaktivitäten erfasst und über Jahrhunderte hinweg verglichen werden können – ein Meilenstein der Sonnenforschung, der bis heute Anwendung findet.

Doch Rudolf Wolf war mehr als ein Astronom. Als erster Bibliothekar der ETH Zürich baute er die dortige Bibliothek von Grund auf auf – nicht nur als technische Fachsammlung, sondern als universale wissenschaftliche Bibliothek mit breitem geisteswissenschaftlichem Spektrum. Seine Leidenschaft für Wissenschaftsgeschichte schlug sich nicht nur in zahlreichen Publikationen nieder, sondern auch in der systematischen Sammlung historischer Manuskripte und Werke.
So kommt es, dass uns von einem Fällander heute nicht nur zahlreiche wissenschaftliche Werke erhalten geblieben sind, sondern sein Schaffen in und um die ETH auch heute noch erlebt werden kann.
Quelle: Heinz Theo Lutstorf, Professor Rudolf Wolf und seine Zeit, Schriftenreihe der ETH-Bibliothek, Nr. 31