Umbauen statt ersetzen – für das Netto-Null-Ziel

von Stefan Schelling, Fällanden / © Kämpfen Zinke + Partner AG

Zürich wird abgebrochen, gleichzeitig soll das Netto-Null-Ziel schon im Jahr 2040 erreicht sein. Dies ist ein Widerspruch. Daher ist die Sanierung von bestehenden Bauten der Erstellung von Ersatzneubauten überlegen.

Ersatzneubauten sind ein Zeichen unserer Wegwerfmentalität. Intakte, erst 50 Jahre alte Bausubstanz wird vernichtet. Baugrubenaushub und Untergeschosse in Beton für Ersatzneubauten sind die grössten Klimasünder beim Bauen.

Apartmenthaus Zürich-Schwamendingen 1970 gebaut, 2017 saniert. Der Energieverbrauch konnte um drei Viertel gesenkt, die Wohnfläche um ein Viertel erweitert werden. Foto: © Kämpfen Zinke + Partner AG

Darin steckt oft gleich viel graue Energie wie im ganzen oberirdischen Baukörper. Bei Umbauten sind die Untergeschosse bereits vorhanden, ihre graue Energie ist energetisch längst «abbezahlt». Sanierungen haben immer einen wesentlich kleineren ökologischen Fussabdruck als Ersatzneubauten.

Bei guter Planung können tiefgreifende Sanierungen auch hinsichtlich Betriebsenergie problemlos mit Ersatzneubauten mithalten. Aufstockungen und Erweiterungen können die Volumetrie eines Gebäudes energetisch vorteilhaft verändern. Die Verunstaltung der Architektur durch dicke Wärmedämmungen war gestern, heute stehen neuartige, dünne Materialien zur Verfügung. Solaranlagen auf Dach (für Sommerenergie) und Fassaden (für Winterenergie) sind genauso möglich. Sie verlangen planerische Sorgfalt und hohe Fachkompetenz. Für den sommerlichen Hitzeschutz können begrünte Fassaden die Solarfassaden ergänzen.

Sanierungen können auch zur Verdichtung beitragen. Anbauten und Aufstockungen sind das Mittel, um die volle Ausnützung zu erreichen. Fast alle vorhandenen Baustrukturen könnten mit einer leichten Holzbauweise um zwei bis drei Geschosse aufgestockt werden. An dieser Stelle appellieren wir daran, das derzeitige Baurecht zu überarbeiten, offen zu sein und zukunftsorientierte Stellschrauben zu ermöglichen. Gestalterische Fantasie und Offenheit ist bei Planern und Behörden gefragt.

Während Jahrtausenden sind Gebäude umgebaut, angepasst und erweitert worden, da Material kostbar und Bauen schon immer teuer war. Umbauten und Aufstockungen bieten die grosse Chance zu mehr Vielfalt im Stadtbild, Zeitzeugen zu belassen und architektonisch interessante Projekte mit räumlich spannenden Wohnungen zu realisieren. Vor allem bieten sie auf die aktuellen Fragen zwei Antworten: die Verdichtung der Stadt und das Netto-Null-Ziel sind mit tiefgreifenden Sanierungen gleichzeitig erreichbar.

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